Satellitenbilder zeigen die Welt. Dort, wo niemand sonst hinschaut. In einer zunehmend fragmentierten, konflikthaften Weltlage sind hochauflösende Satellitendaten oft der letzte Weg zur Wahrheit. Doch immer mehr KollegInnen berichteten uns zuletzt davon, dass ihnen genau dieser Zugang blockiert oder verwehrt wird – von den Satellitenbetreibern und von Regierungen, die hinter den Kulissen entscheiden, was öffentlich sichtbar wird und was nicht. Hier nur ein paar Beispiele:
Zwar ist Airbus inzwischen dazu übergegangen, Redaktionen wie der Süddeutschen Zeitung oder der Wirtschaftswoche kostenlose Bilder aus dem OneAtlas-Archiv anzubieten - allerdings nur, da der Konzern vor der Veröffentlichung das letzte Wort hat, was die KollegInnen zeigen dürfen und was nicht. Mit Pressefreiheit und dem Redaktionsalltag einer Tages- und Wochenzeitung ist das kaum vereinbar.
Die rechtlichen Hintergründe sind komplex. Zwar gibt es internationale Prinzipien für Satellitenfernerkundung wie– etwa die UN-Grundsätze von 1986. Doch diese sind nicht bindend. Und gerade im kommerziellen Sektor agieren Anbieter oft unter Vertragsbindung, geopolitischem Druck oder Sicherheitslogiken. „Das ganze Modell kommerzieller Erdbeobachtung basiert auf der Möglichkeit staatlicher Kontrolle über Bildfreigaben – aus Gründen der Außen-, Sicherheits- oder Verteidigungspolitik“, kommentiert Space-Rechtler Ingo Baumann einen Post auf Linkedin.
„Die kommerzielle Raumfahrt verschiebt sich derzeit sehr stark in Richtung Verteidigung. Dadurch droht eine fatale Schieflage: Hochauflösende Erdbeobachtung wird dann zum exklusiven Werkzeug für Militärs, während Pressefreiheit, Transparenz und zivile Nutzung auf der Strecke bleiben”, sagt Lina Hollender, Branchenexpertin für Satellitendaten.
Was als sicherheitspolitisch notwendig erscheint, wird in der Praxis jedoch zunehmend willkürlich gehandhabt. Daten werden gezielt zurückgehalten, wenn sie politischen oder wirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufen. Sogar investigative Projekte wie Forbidden Stories stießen an Grenzen. Investigativ-Journalist Frederik Obermaier beschreibt, wie das Team hochauflösende Aufnahmen identifizierte, die kurz vor dem Beschuss eines Pressegebäudes in Gaza aufgenommen worden waren – doch Maxar weigerte sich, die entscheidende Bildserie freizugeben. „Maxar hat der Presse in der Vergangenheit oft geholfen – aber diesmal war das Bild, das wir am dringendsten brauchten, nicht verfügbar. Trotz mehrfacher Bitten“, sagt Obermaier.
In einer Welt, in der Transparenz immer häufiger das erste Opfer geopolitischer Spannungen wird, braucht es mehr als Appelle. Es braucht Infrastruktur. Es braucht Unabhängigkeit.
Deshalb ist es an der Zeit, dass Europa einen eigenen, zivil kontrollierten Satellitenzugang für journalistische Zwecke aufbaut – dauerhaft, transparent, gegen politische Einflussnahme abgesichert.
Eine solcher Satellitenkonstellation müsste:
Wenn Bilder nur noch selektiv verfügbar sind, verlieren wir mehr als nur Pixel – wir verlieren Vertrauen und demokratische Kontrolle. Die Debatte um Satellitendaten ist eine Debatte um die Sichtbarkeit der Welt. Und sie stellt die Frage: Wer darf entscheiden, was sichtbar ist?
„Wir müssen neu definieren, wie wir den Zugang zu Satellitendaten für die 'vierte Gewalt' gestalten wollen“, sagt Hollender. Gemeinsam mit Lina veranstalten wir deshalb nach der Sommerpause einen Roundtable, der sich dieser Debatte annehmen soll. Wann und wo? Hier erfahrt ihr es rechtzeitig.