Das Ende der Urwälder in Europa

In Rumänien werden Europas letzte verbliebene Urwälder abgeholzt. Teils legal, teils illegal. Satellitenbilder deuten darauf hin, dass die Abholzung weiter voranschreitet.

Urwälder gibt es auf dem europäischen Kontinent nicht mehr viele. Wer nach den letzten verbliebenen Urwäldern schaut, schaut meist zunächst nach Rumänien. Die Karpaten, das bogenförmige Hochgebirge, das sich über Rumänien erstreckt, waren bekannt für die größten Urwälder Europas.

Doch gerade dort schreitet die illegale Abholzung voran.

Vertical52 hat nun getestet, die Abholzung anhand des NDVI, also des Normalized Difference Vegetation Index, nachzuvollziehen. Wir präsentieren Ihnen hier erste Ergebnisse.

Im April 2024 warf die Organisation Greenpeace CEE nach Recherchen dem Möbelriesen IKEA vor, zumindest indirekt an der Abholzung beteiligt zu sein. Sie hatten damals die gesamte Lieferkette, vom Ort der Abholzung bis hin zu den Holzlagern, verfolgt und konnten feststellen, dass mindestens sieben verschiedene IKEA-Lieferanten in Rumänien an der Abholzung von Urwäldern oder der Zerstörung anderer Gebiete mit Schutzwert, beteiligt gewesen seien.

Kahlgeschlagene Fläche mit Abfuhrwegen, Quelle: Agent Green and EuroNatur (2023): Investigation of Romanian forests in Natura 2000 sites.

Für die Recherche hatte Greenpeace CEE Urwälder in Rumänien besucht, "in denen das durchschnittliche Alter der Bäume zwischen 120 und 180 Jahre lag" (Greenpeace). Sie stellten eine systematische Zerstörung fest. Zwei der Wälder waren Natura-2000-Schutzgebiete.

Natura 2000

Die rumänischen Ur- und Naturwälder bilden ein nicht ersetzbares Naturerbe und sind ein wichtiges Biotop für eine Vielzahl von Arten. Viele der Gebiete sind deshalb Teil der Natura-2000-Schutzgebiete der EU. Sie sollen besonders vor menschlichen Eingriffen geschützt werden, um naturnahe, zusammenhängende Lebensräume zu erhalten.

Natura-2000-Schutzgebiete in Rumänien mit Repedea-Tal im Maramures-Gebirge, Quelle: European Environment Agency

Die angesprochenen Gebiete sind häufig schwer zu erreichen und zu großflächig, als dass eine ständige Kontrolle vor Ort möglich wäre. Im Jahr 2023 führten die Umweltorganisationen EuroNatur, Client Earth und Agent Green Vor-Ort-Untersuchungen zu Fuß und mit Drohnen durch. Hierbei konnte auch im Maramures-Gebirge, genauer im Repedea-Tal, die kommerzielle Abholzung von Primär- und Urwäldern belegt werden.

Exklusiv: NDVI-Analyse

Wir haben daraufhin versucht, die Analyse großflächiger und ressourcenschonender mithilfe von Satellitenbildern durchzuführen. Dazu haben wir Aufnahmen des Sentinel-2-Satelliten aus verschiedenen Jahren gesucht. Um die Jahre vergleichbar zu machen und damit eine vollständig ausgebildete Belaubung vorliegt, haben wir uns auf den Monat Juni beschränkt. Im Repedea-Tal zeigt die Analyse mittels NDVI die starken Eingriffe im Wald.

Die helleren Flächen zeigen Gebiete mit einem Rückgang der Vegetation und somit der Vitalität des Waldes. Für das rot markierte Untersuchungsgebiet konnten wir zeigen, dass die im Jahr 2019 noch konstant dunkelgrün eingefärbte Fläche vier Jahre später, im Jahr 2023, starke Anzeichen von Kahlschlag aufweist.

Durch die Veröffentlichung des Berichts zu Abholzungsaktivitäten in verschiedenen Natura 2000-Schutzgebieten bestand Hoffnung auf Besserung. Betrachtet man jedoch das oben gezeigte Gebiet im Repedea-Tal für den Zeitraum ab 2023, bekommt man einen anderen Eindruck.

Am nördlichen Gegenhang des Flusstals zeigen sich für das Jahr 2025 helle Linien, was auf die Einrichtung neuer Forststraßen hindeuten könnte. Außerdem erscheinen neue helle Flächen, die Hinweise für gegenwärtige Abholzungen sein könnten.

Staatliche Genehmigungen

Für den großflächigen Kahlschlag, den Einsatz schwerer Maschinen und den Abtransport der gefällten Bäume liegen häufig sogar staatliche Genehmigungen vor. Diese werden allerdings häufig nur unvollständig veröffentlicht und es liegen meist keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vor. Deshalb sind mehrere Gebiete Teil eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission. Eines der Gebiete ist das oben genannte Maramures-Gebirge im nördlichen Rumänien.

Wenn Sie Interesse haben, eine Recherche zu der Abholzung in Rumänien und deren Folgen für den verbleibenden Urwald in Europa, umzusetzen, kommen Sie auf uns zu.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Analyse und liefern Satellitenbilder und weiterführende Analysen.

Lesen Sie hier die Nature Crime Files Romania von Greenpeace.

Lesen Sie hier die Investigation of Romanian forests in Natura 2000 sites von Agent Green und EuroNatur.