Vantara, das sind etwa 14 Quadratkilometer Land im äußersten Westen Indiens, eine Fläche fast so groß wie das gesamte Münchner Flughafenareal. In den vergangenen fünf Jahren wurden dort Tierkliniken, Zuchtstationen, Großküchen und Freilaufgehege gebaut, die wohl tatsächlich zu den modernsten Anlagen in der Tierhaltung weltweit gehören. Der erste Elefanten-Jacuzzi der Welt. Die größte Quarantänestation für Tiere. Die größte Rettungsstation für Leoparden; mehr als 250 sollen dort leben. Es ist ein Projekt, das nur mit Superlativen für sich wirbt.
Erst von oben wird das Ausmaß der Anlage sichtbar. Gehege reihen sich an Gehege. Die Gebäudegruppen wirken von oben surreal, fast wie eine Ferienanlage.
Finanziert wird Vantara von einem der reichsten Menschen der Welt. Mukesh Ambani soll ein Vermögen von etwa 100 Milliarden Euro besitzen. Die Unternehmensgruppe, die er groß gemacht hat, Reliance Industries, ist die umsatzstärkste in Indien. Die Geschäftsfelder reichen von Ölförderung und Petrochemie bis zu Textilherstellung und Medien. Auf dem Gelände, auf dem Vantara errichtet wurde, liegt auch eine Ölraffinerie, die zum Konzern gehört.
Laut dem jüngsten veröffentlichten Jahresbericht werden in Vantara mindestens 10 000 Wildtiere von 330 Arten gehalten, Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien. Eine beeindruckende Anzahl. Im Berliner Zoo, dessen Tierbestand weltweit als einer der größten gilt, leben etwa 2500 Individuen dieser Klassen.
Und die Zahlen im indischen Jahresbericht sind zudem stark veraltet, sie reichen nur bis Ende März 2024.
Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung und dem venezolanischen Investigativmedium Armando Info wurden bis Ende Dezember 2024 mindestens 39 000 Wildtiere nach Vantara geliefert, viele davon in den vergangenen neun Monaten. Die Journalisten konnten Import-Daten auswerten, die dieses aktuelle Bild vom Tierbestand in Vantara vermitteln.
Aus 32 Ländern weltweit wurden laut den Import-Daten Tiere nach Vantara geliefert. Von insgesamt 53 Exporteuren.
Das wichtigste Exportland sind demnach die Vereinigten Arabischen Emirate, mehr als 11 000 Tiere gingen von hier nach Vantara, darunter auch vom Aussterben bedrohte Arten, wie etwa 14 Orang-Utans und ein Berggorilla.Auch aus Venezuela wurden Tausende Wildtiere nach Vantara exportiert. 142 große Ameisenbären und 101 Riesenotter etwa. Aus der Demokratischen Republik Kongo kamen vor allem nur dort heimische Primaten. 100 Eulenkopfmeerkatzen etwa. Auch aus Indien kamen fast 5000 Tiere nach Vantara, laut den offiziellen Jahresberichten des Projekts. Die rund 220 Elefanten und viele Leoparden zum Beispiel.
Mehr als 39 000 Tiere – das ist eine unglaubliche Anzahl. Vantara wäre damit bereits heute die mit Abstand größte Wildtiersammlung in Menschenhand, die es jemals gab.
Und natürlich drängen sich viele Fragen auf: Was will man mit so vielen Tieren? Wie versorgt man sie artgerecht? Und wo kommen sie her?
Nach Recherchen der SZ könnten in Vantara auch Tiere geschützter Arten gelandet sein, die in der Wildnis gefangen wurden, um sie nach Indien zu liefern. Außerdem sind zahlreiche streng geschützte Arten, die nicht gehandelt werden dürfen, nach Indien gelangt. Womöglich durch ein Schlupfloch im internationalen Regelwerk für den Handel mit bedrohten Arten.
Hinter dem Zoo-Projekt und der Dachmarke Vantara stehen zwei Organisationen: das Greens Zoological Rescue and Rehabilitation Center (GZRRC) und der Radhe Krishna Temple Elephant Welfare Trust (RKTEWT). Beide äußerten sich weder zur Herkunft der Tiere noch zum Tierbestand.
Die SZ hat seit Juli 2024 zahlreiche Male nachgefragt, ob man Vantara besuchen könne. Im Januar 2025 hieß es schließlich: Ein Besuch sei erst in einigen Monaten möglich, weil gerade neue Elefanten angekommen seien, die müssten in Quarantäne. Außerdem brauche man „eine Freigabe der Regierung“ für so einen Besuch, das ginge nicht kurzfristig. Aber warum? Vantara ist ja ein privates Projekt und so groß, dass Elefanten in Quarantäne wohl nicht gestört würden.
Als die SZ dann im Februar detaillierte Fragen zu dem Projekt schickt, bestehen die Verantwortlichen von Vantara darauf, diese Fragen persönlich vor Ort zu beantworten. Ein Besuch ist nun also doch kurzfristig möglich – wird aber ganz andere Erkenntnisse bringen als erwartet.
Zoos wie die in Berlin und Köln beziehen viele ihrer Tiere, insbesondere die bedrohten Arten, über sogenannte Erhaltungszuchtprogramme, die vom Europäischen Zooverband EAZA initiiert wurden. Stirbt im Berliner Zoo ein Schimpanse, kann der Zoo innerhalb des Schimpansen-Zuchtprogramms um ein neues Tier bitten. Dann wird geschaut, in welchem Partnerzoo ein passendes Tier abkömmlich ist, etwa weil es dort Nachwuchs gab. So wird die Schimpansen-Population innerhalb der EAZA-Zoos insgesamt stabil gehalten und für genetischen Austausch gesorgt. Ähnliche Zuchtprogramme gibt es auch in anderen Zoo-Verbänden weltweit.
Vantara und die dahinterstehenden Organisationen sind bisher kein Mitglied in der EAZA, zu der auch Einrichtungen außerhalb Europas gehören, und sie haben eine Mitgliedschaft bisher auch nicht beantragt. Auch um eine Aufnahme im Weltzooverband WAZA haben sie bisher nicht gebeten. Das Projekt wirbt zwar damit, mit bekannten Naturschutzorganisationen wie WWF und IUCN zusammenzuarbeiten, die die „Rote Liste“ der bedrohten Arten herausgibt. Beide Organisationen bestreiten auf SZ-Anfrage jedoch, mit Vantara zu kooperieren.
Die Geschichte Vantaras beginnt bereits 2013 mit dem Aufbau des RKTEWT als Auffangstation für Arbeitselefanten aus Indien. 2019 wird das GZRRC gegründet, das heute der eigentliche Kern von Vantara ist. Mittlerweile gibt es auch Zuchtprogramme für bedrohte Tierarten wie Nashörner und Königsamazonen. Es wird geforscht. Und ein Teil des riesigen Geländes soll irgendwann für Besucher öffnen. GZRRC ist als Zoo registriert.
Die SZ hat sich insbesondere die Firmen und Organisationen angesehen, die laut den Daten jeweils Tausende Tiere nach Vantara geliefert haben. Darunter sind zahlreiche Zoos, aber auch kommerzielle Tierhändler. Sie sitzen in Ländern wie Venezuela, der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und Indonesien, die als Hotspots für den illegalen Handel mit dort gefangenen Wildtieren gelten. Und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), einem internationalen Drehkreuz und Zielland für diesen Handel.
Daniela Freyer von der deutschen Artenschutzorganisation Pro Wildlife, die sich insbesondere gegen den illegalen Handel von Wildtieren engagiert, kennt die Import-Daten von Vantara. „Die Zahlen sind astronomisch hoch“, sagt sie. „Viele der eingeführten Arten sind stark gefährdet oder sogar akut vom Aussterben bedroht. Ein Anstieg der Nachfrage kann fatale Auswirkungen auf die Bestände in der Natur haben.“
Da in Vantara auch Artenschutz und Wissenschaft vorangetrieben werden sollen, könnten Tiere auch zur Erhaltungszucht oder Forschung importiert worden sein. Allerdings nur aus anderen Zoos, so ist es im indischen Wildtierschutzgesetz zumindest für geschützte Arten vorgeschrieben. Die Verantwortlichen hinter Vantara bekräftigten dies gegenüber dem asiatischen Nachrichtenmagazin Himal Southasian: „Wir behandeln Tiere nicht als Ware und betreiben auch keinen kommerziellen Handel mit Tieren.“ Auch mit Wildfängen hätten sie nichts zu tun.
Für zahlreiche Arten, die in den Import-Daten von Vantara auftauchen, gilt ohnehin ein internationales Handelsverbot. Dieses wird durch das Washingtoner Artenschutzabkommen, kurz Cites, geregelt. Im sogenannten Anhang I von Cites sind die Arten gelistet, die besonders bedroht und daher streng geschützt sind. Nur Nachzuchten, also in Gefangenschaft geborene Tiere, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen weiterverkauft werden. Cites ist seit 1975 in Kraft. 185 Staaten haben es unterzeichnet. Auch Indien. Aber es gibt Schlupflöcher in diesem Regelwerk.
Ob eine angebliche Nachzucht nicht doch im Wald gefangen wurde, ist nur schwer zu überprüfen. Verantwortlich dafür sind die nationalen Cites-Behörden, die in der Regel dem Umweltministerium eines Landes unterstellt sind. Bei diesen muss ein Exporteur auch den Zweck eines Transfers in seiner Ausfuhrgenehmigung angeben, wenn er eine streng geschützte Art in ein anderes Land liefern möchte. „T“ steht für trade – also Handel. „Z“ steht für Zoo, also einen Transfer zwischen zwei Einrichtungen, die als Zoos registriert sind.
Zoo-Transfers sind auch bei streng geschützten Arten möglich. Handels-Transfers dagegen nur im Ausnahmefall von Nachzuchten. Es macht also einen Unterschied, ob ein Exporteur ein Tierhändler ist oder ein Zoo. Manchmal ist er beides.
Der bedeutsamste Tierlieferant von Vantara ist laut den Daten eine Organisation namens Kangaroo Animals Shelter Center, beziehungsweise Kangaroo Animals Center aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die beiden Namen bezeichnen entweder dieselbe Organisation oder zwei, die direkt miteinander verbunden sind. Dem Namen nach handelt es sich um eine Auffangstation – ein shelter – für Tiere. Die Organisation hat eine Website, auf der damit geworben wird, eine „bessere Welt für die gesamte Tierwelt“ zu schaffen. Außerdem werden Fotosafaris angeboten, auf denen man Bilder von Großkatzen machen könne. Die angebliche Auffangstation scheint also auch ein öffentlicher Tierpark zu sein. Allerdings steht auf der Website an vielen Stellen Blindtext, und die Links führen ins Nichts. Weder wird eine Besuchsadresse genannt, noch gibt es einen Hinweis darauf, dass dort geforscht oder Artenschutz betrieben wird.
Nach Recherchen der SZ steht hinter der Organisation ein Tierhändler namens Khaled Aldhaheri. Auf seiner Facebook-Seite wirbt Aldhaheri für einen Online-Tierhandel namens Ekat. Dort werden Hunde und Katzen, aber auch Wildtiere wie Gazellen angeboten. Die Website von Ekat wiederum ist von einem Unternehmen namens Kangaroo Animals Trading registriert worden. Auf einem Online-Marktplatz, auf dem sich Firmen vorstellen, wird es als „Importeur und Exporteur“ von lebenden Tieren beschrieben, gegründet 2003, Sitz in Abu Dhabi, Kontaktperson: Khaled Aldhaheri.
Es gibt noch zahlreiche weitere Hinweise, dass Aldhaheri sowohl hinter den kommerziellen Tierhandelsfirmen Ekat und Kangaroo Animals Trading steht als auch hinter der angeblichen Kangaroo-Auffangstation. Eine detaillierte SZ-Anfrage dazu beantwortete die Organisation nur allgemein: „Khaled arbeitet seit vielen Jahren mit mehreren Organisationen im Bereich Tierpflege und des Tierschutzes zusammen.“ Wenn Privatpersonen oder Einrichtungen ihre Wildtiere nicht länger versorgen könnten, helfe Khaled ihnen. Jeder Export und Import von Tieren sei unter strikter Einhaltung der Cites-Regeln erfolgt. Es habe sich ausschließlich um nicht kommerzielle Transfers gehandelt, für die „kein einziger Cent“ gezahlt oder empfangen worden sei.
Laut der nationalen Cites-Behörde in den VAE ist die angebliche Kangaroo-Auffangstation als Zoo registriert. Demnach sind Zoo-Transfers möglich. Auffällig ist, dass die Organisation laut Handelsdatenbank Tiere bisher ausschließlich nach Vantara geliefert hat.
Unter den exportierten Tieren sind 41 Schimpansen und ein Bonobo. Kein Tier ist genetisch dem Menschen ähnlicher als dieser Zwergschimpanse. Obwohl beide Arten streng geschützt sind, spüren kriminelle Banden ihnen in der Wildnis nach. Die Jäger hinterlassen oft ein Blutbad, töten die erwachsenen Tiere einer Gruppe und nehmen nur die Jungtiere mit, weil sie sich noch daran gewöhnen lassen, in den Villen reicher Tiersammler zu leben. Vor allem in den Golfstaaten, in Ländern wie Katar, Kuwait und den VAE, aber auch in China werden Menschenaffen als besonders exklusive Haustiere gehalten. Auf Instagram und Tiktok zeigen sich die Halter stolz mit ihren Tieren. Der Preis für einen Schimpansen, den die Endkunden bezahlen, reicht bis zu 64 000 Euro laut einem UN-Bericht. Für einen Gorilla wurden auch schon rund 140 000 Euro gezahlt.
Wie die Menschenaffen in den Besitz der angeblichen Kangaroo-Auffangstation gelangt sind, lässt sich nur mutmaßen. Transfers von geschützten Tieren müssen von den Export- und Importländern an das Cites-Sekretariat gemeldet werden, das die Umsetzung des Artenschutzabkommens koordiniert. Die Daten sind öffentlich einsehbar. Demnach stammen viele der Schimpansen vermutlich aus dem Irak, Kuwait, Ägypten und Bahrein und wurden 2022 und 2023 von dort in die VAE exportiert. Wie sie in diese Länder gelangt waren, lässt sich nicht rekonstruieren.
„Vor allem Großkatzen und Menschenaffen werden aus afrikanischen Staaten in die Golfregion geschmuggelt“, sagt Daniel Stiles, der sich seit Jahrzehnten mit dem illegalen Tierhandel beschäftigt und an UN-Berichten zu dem Thema mitgearbeitet hat. Dort würden die Tiere in Privatzoos gehalten oder weiter Richtung Südostasien verkauft. Eine Route, die auch der Bonobo genommen haben könnte. Laut Cites-Datenbank gab es bisher nur einen einzigen Import eines Bonobos in die VAE: 2023 aus dem Irak. In den Irak wiederum ist kein Import eines Bonobos dokumentiert.
Die angebliche Kangaroo-Auffangstation geht auf die SZ-Fragen zu bestimmten Arten nicht ein, sondern antwortet allgemein: Die Tiere seien aus verschiedenen Quellen gerettet worden – von privaten Haltern, Unternehmen und Einrichtungen, die sich nicht mehr um die Tiere hätten kümmern können. Außerdem sei jedes exportierte Tier in Gefangenschaft gezüchtet worden, was anhand der Cites-Genehmigungen bewiesen werden könne.
Noch auffälliger ist der Transfer eines Berggorillas aus den VAE nach Vantara. Weltweit gibt es kein einziges bekanntes Tier dieser Art – Gorilla beringei beringei – in Gefangenschaft. In Zoos sieht man Flachlandgorillas, von denen es noch einige Hunderttausend in der Wildnis gibt. Die Anzahl der Berggorillas wird auf etwa 1000 Exemplare geschätzt, die nur in den dicht bewaldeten Hängen rund um die Virunga-Vulkane in der DR Kongo leben und im benachbarten Uganda.
Der Berggorilla, der laut den Daten in Vantara landete, wurde von einer Organisation namens Capital Zoo Wildlife Park nach Indien exportiert. Auch in diesem Fall vermitteln der Name und auch die Website den Eindruck, es handle sich um einen Zoo. Laut Cites-Behörde in der VAE hat die Einrichtung auch eine Zoolizenz. Auf Satellitenbildern erkennt man jedoch unter der angegebenen Adresse nur ein längliches Gebäude im Wüstensand. Fragt man unter der auf der Website genannten Telefonnummer nach den Öffnungszeiten, bekommt man tatsächlich eine Antwort: „Unser Zoo bleibt für die Öffentlichkeit bis auf Weiteres geschlossen.“ Und dann werden keine Fragen mehr beantwortet. Die Website des angeblichen Zoos wurde angemeldet von: Khaled Aldhaheri. Also offensichtlich von dem Tierhändler, der auch hinter der angeblichen Kangaroo-Auffangstation steht.
Sämtliche Transfers seien in „voller Übereinstimmung mit internationalen und nationalen Gesetzen durchgeführt“ worden, schreibt der Capital Zoo Wildlife Park auf SZ-Anfrage. Die Cites-Behörde in den VAE bestätigt das.
Das Bild, das sich so zusammenfügt, ist das eines Tierhändlers, der mehrere Fake-Zoos gegründet hat, die dazu dienen könnten, den Export von streng geschützten Arten nach Vantara auf dem Papier möglich zu machen. Aber darf sich ein Leuchtturmprojekt wie Vantara auf solche Exporteure verlassen, die allem Anschein nach ihre Handelstätigkeit verschleiern wollen? Und auf Behörden, die den Export eines Bonobos und eines Berggorillas nach Indien genehmigen? „Es macht absolut keinen Sinn, ein einzelnes Tier dieser Arten in ein Rettungscenter nach Indien fern ihrer natürlichen Lebensräume zu schaffen“, sagt die deutsche Primatenforscherin Angela Meder. Wenn es tatsächlich gerettete Tiere seien, hätten sie in eine der Auffangstationen in Afrika gebracht werden müssen, in denen Artgenossen leben. „Denn Menschenaffen sind Familientiere, die nur in Gruppen zufrieden sind.“ Das Ziel jeder Rettung müsse die Auswilderung sein.
Anfang März kommt es schließlich zum Besuch der SZ in Vantara. Der Reporter wird vom Flughafen abgeholt und durch eine trocken-staubige Landschaft hin zu einer saftig-grünen Oase gefahren. Vantara liegt in Gujarat, einem der heißesten indischen Bundesstaaten. In einem Fünf-Sterne-Hotel, das auf dem Vantara-Gelände liegt, soll man sich frisch machen und dann ein sogenanntes NDA unterschreiben – eine Verschwiegenheitserklärung. Aber wieso soll man plötzlich nichts über den Besuch berichten dürfen? Der Zweck der Reise sollte es ja gerade sein, Fragen beantwortet zu bekommen und sich ein eigenes Bild zu machen. Um darüber zu berichten.
Nachdem der SZ-Reporter die Unterzeichnung des NDA abgelehnt hat, bietet der Geschäftsführer von Vantara, Vivaan Karani, dann trotzdem eine Tour zu den Tieren an. Die Fragen sollen anschließend in einem Interview geklärt werden. Die Fahrt geht mit einem Elektroauto an riesigen Gehegen vorbei, zu den Leoparden zum Beispiel, die ein Pfleger so geschickt konditioniert hat, dass sie sich ans Gitter begeben und ruhig bleiben, während er ihnen Blut abnimmt. Wie hoch der Versorgungsstandard ist, lässt sich auch in einer der vielen Küchen beobachten, in denen auf funkelnden Edelstahltischen täglich viele Tonnen Futter zubereitet werden. In einer Speisekammer stehen vorgemixte Futtereimer für den kommenden Tag, beschriftet mit den Namen einzelner Tiere. Gemüse und Obst sind so knackig und vielfältig wie an einer gut sortierten Theke im Supermarkt. Sogar ayurvedisch würden manche Tiere ernährt, erklärt ein Angestellter.
Die Anlagen und die Bemühungen der unzähligen Pfleger, denen man begegnet, wirken so beeindruckend, wie es Vivaan Karani, der Chef, vorab versichert hatte. Neben ihm begleiten etwa zehn weitere Mitarbeiter die Tour, außerdem eine Presserechtsanwältin aus Deutschland. Karani redet quasi ohne Unterlass, während die anderen einen in Nebendiskussionen verstricken. Häufig wird man gefragt, wieso man einer so guten Unternehmung wie Vantara Böses unterstelle. Die Atmosphäre schwingt zwischen Schulterklopfen und relativ unverhohlenen Drohungen. In einem Moment soll die Tour abgebrochen werden, weil man nicht vorab sagen könne, welches Fazit die Recherche haben werde. Dann wiederum soll man unbedingt den Aufenthalt verlängern, um einen noch besseren Eindruck zu bekommen.
Vor allem wenn man Karani nach der Herkunft der Tiere fragt, kippt die Stimmung. Karani verweist dann nur auf die Cites-Papiere, die es für jedes Tier gebe. Einmal raunt er, man könne die Verleger der SZ ansprechen. Reliance Industries, der Mutterkonzern der Ambanis, sei ja auch ein riesiges Medienhaus.
Gegen Mitternacht, als die Tour beendet ist und das zugesicherte Interview beginnen soll, sagt Karani das Gespräch dann plötzlich ab, weil die SZ voreingenommen sei. Einige Tage später antwortet das GZRRC schriftlich, geht aber nicht auf die einzelnen Fragen der SZ ein: „Unsere Einrichtung arbeitet in voller Übereinstimmung mit allen nationalen Gesetzen, internationalen Verträgen und Cites-Vorschriften“, heißt es. „Wir sind eine gemeinnützige, nichtkommerzielle Organisation, die sich dem Tierschutz und dem Artenschutz verschrieben hat.“ Sie hätten noch nie Tiere gekauft oder verkauft und würden das auch in Zukunft nicht tun – eine Tatsache, die von Behörden und durch Gerichtsurteile bestätigt worden sei.
Auch mit allem Geld der Welt scheint es kaum möglich zu sein, die Herkunft von mehr als 39 000 Tieren im Blick zu halten. Zu prüfen, ob diese Tiere nicht aus den Händen von Wilderern und Schmugglern kommen. Ob sich die Verantwortlichen hinter Vantara bewusst sind, welchen Jagddruck und welche Begehrlichkeiten ihre scheinbar unendliche Nachfrage nach bedrohten Wildtieren, die in ihren Augen gerettet werden müssen, in den Herkunftsländern dieser Tiere entfesseln könnte? Vantara äußert sich auch dazu nicht.
Ein europäischer Wildtierhändler, der international gut vernetzt ist und aus Sorge um sein Geschäft darum bittet, seinen Namen nicht zu erwähnen, sagt der SZ: „Egal, mit welchen anderen Großhändlern ich rede: Der Vorrat an Wildtieren ist aufgekauft. Die Angebotslisten werden kürzer, weil alles nach Indien geht.“ Dass diese Nachfrage auch zu mehr Wildfängen führt, liegt für den Tierhändler „auf der Hand“.